Heide Mertens: Das Ganze der Arbeit. ISBN 9783930830244 - 310gr

Artikel-Nr.: M 147

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Abstract
Von Erwerbsarbeit alleine kann niemand existieren. Für eine Stunde Erwerbsarbeit braucht es im Durchschnitt anderthalb Stunden unbezahlte Arbeit, damit notwendige Alltagsbedürfnisse befriedigt werden können und am nächsten Tag wieder Erwerbsarbeit möglich ist.
Die vorliegende Untersuchung legt die ungleiche Verteilung dieser Arbeit und gleichzeitig die vielfältigen Formen unbezahlter Versorgungsarbeit und Arbeit für die Allgemeinheit am Beispiel eines Stadtviertels (Köln-Mülheim) offen. Eine wesentliche Qualität dieser Arbeit liegt in den hierdurch geschaffenen sozialen Beziehungen. Diese Arbeit schafft Vertrauen und Sicherheit, schafft „soziales Kapital" und damit die notwendige Basis für Lebensqualität.
Ein Gespräch mit vier Wissenschaftlerinnen zum Thema „Solidarisches Wirtschaften – wider die Zerstörungen" weitet den Blick und verdeutlicht die Erfahrungen in England und den USA beim Umorganisieren von Erwerbs- und Versorgungsarbeit.

Vorwort
Zur Schriftenreihe
Die Stiftung Fraueninitiative, Ende 1996 in Köln gegründet, hat sich die Förderung von innovativem feministischen Denken und Handeln zum Ziel gesetzt. Sie wendet sich an in- und ausländische Frauen und Frauengruppen, die mit ihrer theoretischen und praktischen Arbeit emanzipatorische Fraueninteressen stärken wollen. Obgleich viel über Gleichberechtigung, Geschlechterdemokratie und Genderpolitik gesprochen und geschrieben wird, hat sich an den realen Chancen der Frauen auf eine eigenständige Existenzsicherung wenig geändert. Eine einflussreiche Position einzunehmen oder Erwerbs-, und Versorgungsarbeit, einschliesslich der Arbeit für ein Gemeinsames in der Öffentlichkeit, zu einem existenzsichernden Ganzen auszugestalten, ohne auf Geld oder unbezahlte Arbeit Anderer zurückgreifen zu müssen, ist kaum möglich.
Inhaltlicher Schwerpunkt der Stiftungsaktivitäten sind zur Zeit Analysen und Reflexionen zu ökonomischen Fragen, insbesondere das Entwickeln und Erproben von Möglichkeiten zu einem bedürfnisorientierten, solidarischen Wirtschaften und Arbeiten.
Die nach kapitalistischen Prinzipien handelnde globalisierte Wirtschaft ist weder in der Bundesrepublik Deutschland noch weltweit in der Lage, auch nur annähernd ausreichende und existenzsichernd bezahlte Erwerbsarbeit anzubieten, umweltschonend zu produzieren, den Raubbau an den Rohstoffen zu beenden und wichtige Grundbedürfnisse zu befriedigen. Eine Umverteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit oder des erarbeiteten Reichtums ist nicht in Sicht, im Gegenteil, soziale Transferleistungen werden abgebaut. Eine solche Politik produziert Widerstand. Immer mehr Menschen versuchen, in ihrem lokalen Umfeld einen Teil ihrer Lebenswelt selbstbestimmt und in ökologisch sinnvoller Weise gemeinsam zu organisieren. Es haben sich inzwischen vielfältige Formen von (Teil)Selbstversorgung entwickelt. Solche Ansätze gilt es theoretisch zu reflektieren und im Interesse einer gewünschten humanen und nicht-patriarchalen Lebensweise zu stärken und weiterzuentwickeln. Sie werden in der universitären Forschung und Lehre bis heute nur vereinzelt thematisiert und also auch nicht finanziert.
Mit der Schriftenreihe KONZEPTE / MATERIALIEN gibt die Stiftung Raum für kreatives und analytisch- kritisches feministisches Denken und trägt es gleichzeitig in die Öffentlichkeit. Der Titel der Schriftenreihe wurde mit Bedacht gewählt, um nicht dem oft blockierenden Anspruch von reinem Schreibtischwissen aufzusitzen, denn weiterführende Überlegungen werden oftmals durch die Praxis angestossen. Inhaltlich ist die Schriftenreihe über den Komplex Ökonomie hinaus offen für alle im weiten Sinne frauen-emanzipatorisch relevanten Themen. Es wird in den jährlich ein- bis zweimal erscheinenden Bänden sowohl Berichte geben über die von der Stiftung geförderten Untersuchungen, als auch über relevante Forschungen und Praxiserfahrungen aus dem In- und Ausland.
Der erste Band der Schriftenreihe bringt unter dem Titel „Das Ganze der Arbeit" Erkenntnisse über aktuelle Formen von Versorgungsarbeit und Arbeit für das „gemeinsame Eigene" im lokalen Umfeld. Er steht im Kontext der bisherigen Stiftungsaktivitäten und den von ihr herausgegebenen Texten „Wirtschaften für das ‚gemeine Eigene‘. Handbuch zum gemeinwesenorientierten Wirtschaften" (1997, trafo-Verlag, Berlin).
Heide Mertens hat im Rahmen eines Jahresstipendiums der Stiftung Fraueninitiative eine empirische Untersuchung in Haushalten von Köln-Mülheim durchgeführt. Früher war Köln-Mülheim ein lebendiger Industriestandort, heute stehen die Arbeitsmarktprobleme und ihre sozialen Folgen im Vordergrund. Heide Mertens fragte nach Art, Umfang, Vernetzung, Verteilung und Bewertung der unbezahlten Arbeit im Kontext von Erwerbsarbeit. Dabei wurde u.a. die herausragende Wertschätzung der kommunikativen und sozial verbindenden Wirkungen der vielfältigen unbezahlten Arbeit deutlich. Mit unbezahlter Arbeit wird mehr produziert als nur materielle Güter und Dienste, durch sie entsteht neues „soziales Kapital". Die Untersuchung ist Teil einer Stadtteilinitiative zur Neugestaltung einer grösseren Industriebrache mit versorgungsnahen Angeboten in einem Wohngebiet mit hoher Erwerbslosigkeit. Dort gründet sich gerade die „Genossenschaft Mülheim am Rhein – für solidarisches Wirtschaften, Arbeiten, Lernen und Leben".
Das anschliessende Gespräch „Solidarisches Wirtschaften – wider die kalkulierte Zerstörung" zwischen Heide Mertens (Politologin), Carola Möller (Sozialwissenschaftlerin), Ulla Peters (Sozialwissenschaftlerin) und Irina Vellay (Stadtplanerin), führt die Erfahrungen aus Köln-Mülheim mit dem wesentlich grösseren Ausmass an Zerstörung, aber auch den selbstbestimmten Versorgungsansätzen in Detroit/USA, Nottingham/England und Wolfen-Nord zusammen. Wollen Politiker hier den Grad der Zerstörung von ehemals industriell genutzten Stadtgebieten und die materielle und soziale Verelendung der dort Lebenden vermeiden, so werden sie frühzeitig – zusammen mit den Betroffenen – Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes anderes Arbeiten und Wirtschaften schaffen müssen. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff „Neue Arbeit" und der Ausbau des sogenannten Dritten Sektors kritisiert und mit den Möglichkeiten der Graswurzel-Initiativen von Stadtteilbewohnerinnen und -bewohner konfrontiert.
Köln, im Februar 2001, Carola Möller

Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Wie Mülheimer Haushalte wirtschaften / 1.Die Befragung / 2. Die Haushalte / 3. Soziale Einbindung / 4.Einkaufen: Was braucht der Mensch? / 5. Hausarbeit: Eine lästige Pflicht  / 6. Über das Tauschen im sozialen Umfeld / 7. Eigenarbeit / 8. Politisches und kulturelles Engagement / 9. Wünsche für die Brache
3. Die Haushaltstypen / 1. Die Jüngeren / 2.Die mittelalten etablierten Haushalte / 3. Die Älteren / 4. Alleinstehende in besonderen Lebenslagen / 5.Die erwerbsorientierten Haushalte / 6. Zusammenfassung
4. Eckpunkte einer Neudefinition von Arbeit / 1.Mobilisierung / 2. Kommunikation / 3. Werteveränderung / 4. Verantwortung für gemeinsames Eigenes / 5. Zeitstrukturen verändern / 6. Unsichtbare Arbeit sichtbar machen
5. Konkrete Ansätze für „Neue Arbeit" / 1. Umbewertung von bezahlter und unbezahlter Arbeit / 2. Formen „Neuer Arbeit" im Übergang / 3. Selbsthilfegruppe, Dienstleistungsunternehmen oder Qualifizierungsprojekt / 4. Zielkonflikte zwischen Professionalisierung und Ehrenamt / 5. Städteplanerische Gesichtspunkte und Rahmenbedingungen / 6. Staatsknete oder Eigenverantwortung / 7. Profitorientierung oder Bedürfnisbefriedigung
6.Schluss / 7.Literaturverzeichnis
Anhang: Köln-Mülheim: Am Rande der Weltstadt zwischen Abhängigkeiten und Eigensinn / Zur Autorin
Solidarisches Wirtschaften  – wider die kalkulierte Zerstörung / Ein Gespräch mit Heide Mertens, Carola Möller, Ulla Peters, Irina Vellay / Unbezahlte Arbeit in Köln-Mülheim / Zerstörte Städte / Neue Arbeit – was ist damit gemeint? / Prozesse der Selbstorganisation / „Neue Arbeit" – neue Werte / AkteurInnen solidarischen Wirtschaftens / Ambivalenzen / Voraussetzungen für ein anderes Wirtschaften und Arbeiten / Arbeiten zur Bedürfnisbefriedigung / Politische Forderungen für eine solidarische Ökonomie / Wirtschaften für eine gewünschte Lebensqualität

Autorin
Heide Mertens, Dr. phil. Sozialwissenschaftlerin, freiberuflich tätig als Autorin, in der Erwachsenenbildung und in Projekten praxisorientierter Sozialforschung, Redaktionsmitglied der Zeitschrift PERIPHERIE. Zur Zeit tätig als pädagogische Mitarbeiterin der Kolping-Bildungstätte Soest.

 

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