Artikel-Nr.: M 157
Vorwort
Dieses Buch nimmt die Tradition der sechziger und siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf. Damals gab es zu vielen politischen Themen Schwarzbücher, die sich kritisch mit Institutionen auseinander setzten. Auch in den jährlichen Berichten des Bundesrechnungshofs und der Landesrechnungshöfe findet sich bis heute eine ähnliche Struktur der Berichterstattung, nur dass es dort allein um die finanzielle Verschwendung öffentlicher Mittel geht.
Dieses Schwarzbuch Deutsche Bahn AG beschäftigt sich nicht mit der Vergeudung von Geld, sondern zeigt anhand der letzten 30 Jahren, wie die frühere "Bundesbahn" bzw. die heutige "Deutsche Bahn AG" mit beeinträchtigten Menschen umgeht, was dieser Verkehrsbetrieb für die Teilhabe dieses Personenkreises tut oder nicht tut.
Wir betrachten als Mitglieder der Politischen Behindertenselbsthilfe die Eisenbahngeschichte unter unserem spezifischen Aspekt und wollen der Bahn in der Bundesrepublik und verantwortlichen Politikerinnen* vor Augen führen, dass es zukünftig mit der Politik der Deutschen Bahn AG nicht so weitergehen kann, wie das in den vergangenen 30 Jahren war.
Gleichzeitig hoffen wir, dass sich viele Medien durch das Erscheinen dieses Schwarzbuches nach Inkrafttreten des Bundesgleichstellungsgesetzes am 1. Mai 2002 mit dieser Materie unter dem Eindruck von Schwarzbuch und Bundesgleichstellungsgesetz auseinandersetzen werden und zu dem gleichen Ergebnis wie wir gelangen: Es muss in den nächsten Jahren anders laufen.
Antje Henninger, Gusti Steiner und viele durch die Bahn behinderte Fahrgäste haben gemeinsam an diesem Buch gearbeitet. Die beiden Autorinnen verantworten den Buchinhalt, die Erfahrungsberichte der behinderten Reisenden stehen in deren jeweiliger Verantwortung. Gusti Steiner hat Jahrzehnte lang Materialien zum Thema dieses Buches gesammelt.* Antje Henninger hat eine grosse Anzahl Cartoons gezeichnet, sie entstanden nach ihren eigenen Ideen oder sind Ergebnis gemeinsamer Diskussionen. Bei Sichtung und Strukturierung des Quellenmaterials war Anja Tillmann beteiligt. Natascha Schlenstedt war in die Erstellung des Schwarzbuches als Arbeitsassistentin eingebunden, Alexandra Franz und Birgit Rothenberg haben in der Endredaktion mitgewirkt.
Es wurden Schriftart, Schriftgrösse und Zeilenabstand für dieses Buch so gewählt, das es möglichst viele Leserinnen problemlos lesen können. Blinde und hochgradig sehbehinderte Interessierte können beim Herausgeber eine adaptierte Fassung erhalten.
Die Autorinnen wünschen"gute" Lektüre und hoffen, dass ein ähnliches Buch der Ignoranz in 30 Jahren nicht noch einmal erstellt werden muss.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung / Was heisst hier behindert? oder: Die Lähmung ist nicht die Behinderung / Was die Bahn unter Behinderung versteht – oder: Schuld sind immer die anderen / Wer umsonst fährt, hat nicht zu kritisieren
II. Die Bahn - der Behinderer / Mobilitätsbehinderte / Waggongebundene Einstiegshilfen in der Bundesrepublik und in ganz Europa / Die Bahn und ihr Behindertenproblem / Die Katze beisst sich in den Schwanz – oder:Immer eine gute Ausrede
III. Die Bahn und die Technik / Die Bahn und ihre für Rollstuhlfahrer geeigneten Züge / Vision ohne Biss / Unverhohlene Drohung / Der Waggonklau geht um / Die schönste Ausrede der Deutschen Bahn AG: Es ist verboten, einen Waggon auszutauschen / Im Sonderzug nach Pankow / Mit dem ICE wird alles gut – oder: Der Mythos Barrierefreiheit durch neue Technik / Testfahrt / Horschesemol, ich hätt’ da mal gern ein Problem! / Bahn AG: Schikane gegen Behinderte /Doppelstockwagen bei der DB AG – oder: Der lange Weg zu einer rollstuhlgerechten Lösung / S-Bahn-Systeme bei der Bahn / Protokoll einer Testfahrt / Kompromisse bei der Bahn – oder: Wenn der Zug nicht zum Bahnsteig passt / Bahnsteiggebundene Einstiegshilfen / Sonntags nie / Eine Beschwerde / Willkommen in Dortmund? / Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste / Viele Wege führen nach Rom / Fahrzeuggebundene Einstiegshilfen / Selbstbestimmung und Selbsthilfe / Tausendmal schockiert - noch immer nix passiert / Wie versprochen - so gebrochen / Bahn 1975 - Der Gepäckwagen als Sonderabteil / Bahn 1992- Dann nehme ich doch lieber den Gepäckwagen
IV. Die Bahn, das Geld und die Politik / Die Bahn und das Geld / Nachhilfe für den Zugbegleiter / Der Landtag NRW ist nicht zufrieden mit der Bahn / Umsetzen nicht hinhalten / Bahnchef verkauft Preissteigerung als Vergünstigung / Die Bahn und die Politik / Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages rügt die Deutsche Bahn / Bahn AG ohne Konzept
V. Die Bahn als Serviceunternehmen / Service - der Weg zum Erfolg / Was suchen Sie denn zu dieser nachtschlafenden Zeit noch auf der Strasse / Diskriminierung noch und nöcher / Information statt Veränderung / Serviceunternehmen Bahn - oder: Wie man effektiv behindert und am Ende doch der Held ist / Aus der Sicht einer Begleitperson / Wenn die Kundin nicht zur Bahn passt - oder: Was Kundinnenenfreundlichkeit bei der Bahn wirklich bedeutet / Der Kunde ist König - aber Werner König ist kein Kunde / Das Fahrrad geht dem Menschen vor / Labyrinth Unentgeltliche Beförderung / Selbstbestimmung
VI. Die Bahn und das Bundesgleichstellungsgesetz / Elementare Menschenrechte / Gleichstellungsverpflichtung auch für die Deutsche Bahn AG / Störung im Betriebsablauf / Durchbruch bei der Deutschen Bahn
VII. Die Bahn und ihre Langzeitstrategien / Teile und herrsche / Andere Verkehrsbetriebe sind auch nicht besser - keine Entschuldigung für die Bahn AG I / Andere Verkehrsbetriebe sind auch nicht besser - keine Entschuldigung für die Bahn AG II / Tarnen und Täuschen? / Dr. Aengenendt legt den Vorsitz nieder / Wenn man einem Ochsen ins Horn kneift /Flexibilität - eine Forderung unserer Zeit
VIII. Nachwort aus der Feder der Deutschen Bahn AG / Quellenverzeichnis / Abkürzungsverzeichnis / Autorinnen / Anmerkungen
AutorInnen
Antje Henninger (1976), Diplompädagogin, 2001 Erstes Staatsexamen für das Lehramt für Sonderpädagogik, nichtbehindert, seit 1995 Mitglied der Interessengemeinschaft behinderter, chronisch kranker und nichtbehinderter Studierender der Universität Dortmund.
Gusti Steiner (1938), Studium der Sozialarbeit, lebt und arbeitet seit 1977 in Dortmund als Sozialarbeiter in der Ambulanten Behindertenarbeit (Frühförderung, Beratung, Politische Arbeit) des Diakonischen Werks in Dortmund, seit 1978 Lehrbeauftragter an der Fachhochschule (Fachbereich Soziales, Behindertenarbeit), Mitbegründer und Aktivist in der Politischen Behinderten-Selbsthilfe, Mitbegründer und Vorstandsmitglied von MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V., Herausgeber von Büchern (Behindertenkalender, Rechtslexikon für Behinderte, Hand- und Fussbuch für Behinderte), Autor von Fachartikeln (Gewalt gegen Behinderte, Fremd- und Selbstbestimmung, Persönliche Assistenz).
Herausgeber
Mobile - Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V., Dortmund
Siehe auch im Internet: www.mobile-dortmund.de